In der Kurstadt hätte mit der Krönung von Angelika Orzechowsky zum neuen Burgfräulein heute Abend eigentlich das 70. Königsteiner Burgfest beginnen sollen. Die Betonung liegt - Corona-bedingt - auf "hätte". Die Reporterin der Taunus-Zeitung, Jutta Badina sprach mit Birgit Becker, der Präsidentin des Burgvereins, über ein Jahr, dass es dem Verein und dem Präsidium bislang alles andere als leicht gemacht hat. Dass Becker sich auch im zehnten Jahr ihrer Präsidentschaft nicht die Freude am Burgfest nehmen lässt, spricht für sie und den Verein.

Frau Becker, wenn 2020 ein annähernd normales Jahr wäre, würden Sie heute Abend das 70. Königsteiner Burgfest eröffnen. Schmerzt es Sie, dass das Coronavirus das - wie so vieles andere - verhindert hat?
Natürlich ist es sehr bedauerlich, dass wir in diesem Jahr nicht gemeinsam feiern können. Ein Sommer ohne Burgfest - auch wenn wir jetzt lange genug Zeit hatten, uns mit dem Gedanken abzufinden - fühlt sich komisch an. Ich habe mich in den vergangenen Wochen selbst häufiger dabei ertappt, dass ich zum Kalender schaute und mir dachte: Was müsste ich jetzt eigentlich erledigen? Das lässt einen nicht so schnell los. Aber die Situation ist, wie sie ist.

2020 birgit
Sehen Sie sich durch die jüngsten Entwicklungen und steigenden Fallzahlen in ihrer recht frühzeitigen Entscheidung bestätigt, das Fest für dieses Jahr abzusagen?
Wir hatten als Präsidium letztlich gar keine andere Wahl, als eine frühzeitige Entscheidung herbeizuführen. Hätten wir es hinausgezögert, wären dem Verein im Fall einer späteren Absage hohe Kosten entstanden. Dieses finanzielle Risiko hätten wir nicht eingehen dürfen. Ganz zu schweigen von den Herausforderungen, die der Schutz der Gesundheit erfordert hätte. Können Sie sich ein Burgfest mit Mundschutz vorstellen? (lacht) Ich nicht. Es hätte nichts gebracht, daran festzuhalten.
Die Organisation einer Veranstaltung von der Größenordnung des Burgfestes bedarf eines langen Vorlaufs. Wie weit waren sie bereits in der Vorbereitung, als sie zur Vollbremsung ansetzen mussten?
Wir waren mittendrin. Das Grundgerüst stand. Erste Vorverträge mit Gruppen für das Programm auf der Festwiese gab es zwar schon, aber wir sind überall noch gut rausgekommen. Vor allem die Arbeit an unserem Burgfest-Buch war bereits im vollen Gange, viele Autoren hatten schon mit dem Schreiben begonnen. Als wir sie dann kontaktierten und über die Absage informierten, war die Reaktion der Autoren durchweg verständnisvoll und rührend. Die meisten haben direkt gesagt: "Kein Problem, Frau Becker, wir haben schon mit ihrem Anruf gerechnet."
Wäre es nicht denkbar gewesen, auch ohne Fest ein Buch für 2020 herauszugeben?
Darüber haben wir im Präsidium durchaus nachgedacht, uns dann aber dagegen entschieden.
Warum?
Wir hatten die Sorge, dass das Buch und vor allem die Arbeit der Autoren nicht die Aufmerksamkeit erfährt, die es verdient. Aber jeder Autor ist darüber informiert, dass die Artikel bitte nicht gelöscht werden. Im nächsten Jahr wird es dann ein dickeres Buch geben. Wir werden es so gliedern, dass erkennbar ist, was sich auf 2020 bezieht und was auf 2021.
Wie kommt der Burgverein finanziell ohne Burgfest durch das Corona-Jahr?
Einerseits gibt es nicht die Ausgaben und Einnahmen, mit denen wir im Normalfall für das Burgfest kalkulieren. Da gehen ja schon hohe Beträge hin und her. Andererseits haben wir natürlich laufende Kosten - zum Beispiel für unsere Nähstube. Die müssen wir über die Vereinskasse decken und das wird uns auch gelingen. Alles in allem hoffen wir für dieses Jahr finanziell auf eine Nullrunde, so dass wir 2021 wieder durchstarten können. Die Überlegungen laufen bereits.
Wird man die Pläne für 2020 eins zu eins auf 2021 übertragen oder geht man noch mal dran und plant Neues?
Fakt ist, dass wir unser 70. Burgfest mit einem Jahr Verspätung feiern und sicher einiges von dem, was wir für dieses Jahr geplant hatten, dann eben auf 2021 übertragen. Wir wollen uns aber schon noch ein paar Besonderheiten ausdenken, und freuen uns da auch sehr über Anregungen aus den Reihen der Mitglieder. Wir haben zum Glück sehr viele, sehr kreative und engagierte Leute im Verein. Aktive Vereinsarbeit ist uns sehr wichtig und wir sind sehr dankbar, wenn da was kommt.
Wie aber geht man nach den Erfahrungen dieses Jahres daran, ein Fest für das kommende zu planen? Wer weiß, ob dann wieder gefeiert werden kann?
Eine Garantie bekommen wir sicher nicht. Wir werden deshalb das tun, was wir eigentlich immer tun: mit Bedacht die Planung vorantreiben, die Entwicklungen im Blick behalten und dann reagieren, wenn es uns geboten erscheint. Wir wollen auf jeden Fall vorbereitet sein, um mit unseren Gästen ein schönes Burgfest zu feiern.
Sind die Ereignisse rund um Corona vielleicht ein Grund, grundsätzlich am Konzept zu feilen? Ein "Eng-an-eng" in den Kellern erscheint einem wie die Antithese zu Abstandswahrung und Hygieneregeln.
2020 ist das ganz sicher so - aber 2020 feiern wir deshalb auch kein Burgfest. In den vergangenen 69 Corona-freien Jahren war das kein Thema. Im Gegenteil. Das Feiern in den Kellern ist für viele ein wichtiger Teil des Burgfest-Konzeptes. Änderungen daran wollen wohlüberlegt sein. Sicher werden wir zu gegebener Zeit darüber nachdenken, was wir tun können und müssen. Aber wir werden hier die weiteren Entwicklungen abzuwarten haben. Wenn uns 2020 eines unmissverständlich gelehrt hat, dann, dass man nicht alles vorausplanen kann. Wer hätte noch im Februar gedacht, dass es uns dieses Jahr so schwer machen würde?
Sie denken dabei sicherlich auch an den Tod Ihres Präsidiumskollegen und Freundes Alexander Freiherr von Bethmann vor wenigen Wochen ...
Ja natürlich. Sein Tod hat wie so viele auch uns im Präsidium völlig unvermittelt getroffen. Wir befanden uns in den ersten Wochen in einer regelrechten Schockstarre, was auch Ausdruck der besonderen Bindung ist, die unter den Mitgliedern des Präsidiums besteht. Wir haben nicht "nur" einen Vorstandskollegen verloren. Wir müssen mit dem Verlust eines Freundes umgehen.
Umso schwieriger dürfte es sein, sich darüber Gedanken zu machen, wie man die große Lücke schließen kann, die dieser Verlust gerissen hat ...
Das ist ganz sicher so. Wir haben noch mit niemand darüber gesprochen, sondern uns im Präsidium darauf verständigt, dass sich jeder einmal Gedanken über eine mögliche Aufgabenverteilung und Nachfolge macht. In der nächsten Präsidiumssitzung wollen wir dann die Ideen zusammentragen und eine Lösung ausloten. Wir wollen und werden überlegen, wer denn zu uns und zum Amt des Schatzmeisters passen könnte.
Ein Ehrenamt, das mit großer Verantwortung verbunden ist. In der Vergangenheit hieß es oft, dass der Etat für ein Burgfest bei etwa 80 000 bis 90 000 Euro liegt. Dem ist doch so?
Ja, in etwa. Wir wussten als Präsidiumsmitglieder immer, dass die Finanzen wie auch die vielen Verträge, die für ein Burgfest zu schließen sind, bei Alexander von Bethmann in den besten Händen waren. Da steckte viel ehrenamtliche Arbeit drin. Und die hörte nicht bei der Kassenführung auf.
Inwiefern?
Alexander von Bethmann hat viel mehr gemacht, als ein Schatzmeister normalerweise tut. Er war einfach großartig. Die Zusammenarbeit mit ihm war unkompliziert. Er hat die Arbeit gesehen und nicht gefragt: "Ist das eigentlich meins?" Er hat einfach gemacht.
"Einfach machen" klingt wie das perfekte Anforderungsprofil für ein Engagement im Ehrenamt. Allerdings geht die Zahl der Bewerber, die dazu längerfristig bereit sind, mehr und mehr zurück. Mit 17 Jahren im Präsidium des Burgvereins - davon mittlerweile zehn Jahre als Präsidentin - sind Sie heute eher die Ausnahme als die Regel. Wie kommt's?
Ich habe großen Spaß daran, gemeinsam mit Gleichgesinnten etwas auf die Beine zu stellen, woran andere Menschen Freude haben. Das ist im Beruf wie im Privatleben so.
Was macht für sie das "Einfach machen" im Burgverein aus und besonders?
Zum einen ist die Arbeit im Präsidium sehr facettenreich. Ein Fest dieser Größenordnung auf die Beine zu stellen, das fordert einen an vielen ganz unterschiedlichen Stellen. Das beginnt bei der Vorbereitung des Burgfestbuches, schließt selbstverständlich die Erstellung des Programms und die enge Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften ein, geht aber auch bis hin zur Bestellung der Dixi-Klos. (lacht) Zum anderen - und das ist mindestens genauso wichtig - zeichnet sich die Arbeit im Burgverein dadurch aus, dass man eben nicht alleine "einfach macht".
Sondern?
Die Präsidiumsarbeit ist immer Teamarbeit. Anders wäre das auch gar nicht zu leisten. Wir sind schließlich alle auch voll berufstätig und machen das in unserer Freizeit. Jeder hat zwar sein Aufgabengebiet. Aber wir arbeiten eng zusammen und unterstützen uns auch stets gegenseitig. Das funktioniert prima.
Klingt nicht nach einem Burgfest-Blues ...
Nein, den verspüren wir auch nicht. 2020 war bislang garantiert kein einfaches Jahr für uns. Aber umso mehr hoffen wir, dass es die kommenden Monate besser mit uns meinen.
Mit Blick auf das Burgfest 2021?
Auch, aber nicht nur. Wir arbeiten da noch an einem anderen großen Projekt.
Klingt spannend. Verraten Sie uns mehr?
Noch ist es etwas zu früh. Sobald alles in trockenen Tüchern ist, machen wir es publik. Was ich schon sagen kann ist, dass wir dann wirklich auf Hilfe angewiesen sind. Sowohl von Mitgliedern, als auch von Nichtmitgliedern. Wir sind glücklich und froh über jeden, der uns dann unter die Arme greift.